Hier finden Sie die aktuelle Ausgabe von IsnyAktuell mit dem Kirchenblatt der Kath. Seelsorgeinheit Isny
Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (Joh 1,29)
Liebe
Gemeinde
„Seht das
Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ - dieser Satz aus dem heutigen Evangelium ist uns aus den
Gottesdiensten vertraut. Vermutlich denkt man über ihn oft gar nicht näher
nach. Und doch lohnt sich da ein genauerer Blick.
Was
bedeutet es, dass Christus die Sünde der Welt hinwegnimmt? Ist denn die Sünde
nicht immer noch in der Welt. Mehr als genug Sünde, Unrecht, Krieg, aber auch
im privaten Bereich so manches Unversöhnte und Unversöhnliche.
So kann das
mit dem Wegnehmen der Sünde der Welt offensichtlich nicht gemeint sein, dass
nun plötzlich alle Sünde und alles Unrecht aus der Welt geschafft wäre.
Ich glaube,
man kommt der Sache näher, wenn man zunächst fragt, was denn genau mit Sünde
gemeint ist. Wir denken da in der Regel an eine schlechte Tat oder ein ungutes
Wort, das andere verletzt. Das ist natürlich auch nicht falsch. Biblisch
gesehen schwingt aber immer auch schon die Folge der Sünde mit. Nehmen wir ein
einfaches Beispiel: Ein Freund lügt die Freundin an. Nicht nur eine kleine
Notlüge, sondern schon etwas Gravierendes. Da Lügen bekanntlich kurze Beine
haben, kommt es irgendwann auch raus. Und dann steht nicht nur die Lüge im
Raum, sondern das Vertrauen ist zerstört, das Miteinander beschädigt. Selbst
wenn die Freundin bereit ist zu vergeben, das Misstrauen bleibt oft noch lange.
Um es in einem Bild auszudrücken: dieses Misstrauen hängt wie eine dunkle Wolke
über der Beziehung. Sie wirft einen dunklen Schatten auf das Miteinander und man
wird diese dunkle Wolke auch nicht so leicht wieder los.
Wenn die
Bibel von der Sünde spricht, dann denkt sie in der Regel diese dunkle Wolke als
Folge der Sünde mit. Sünde zerstört das Miteinander, zerstört die Beziehung
zueinander – und letztlich auch die Beziehung zu Gott. Denn diese dunkle Wolke
trübt nicht nur das menschliche Miteinander, sondern auch diese Beziehung zu
Gott.
Und genau
an dieser Stelle kommt nun Christus ins Spiel: Wenn er die Sünde hinwegnimmt,
so treibt er sozusagen diese Wolke fort und sagt: von Gott her ist es wieder in
Ordnung. Gott will wieder seine Sonne über euer Leben leuchten lassen. Auch
wenn eure Beziehung zu Gott gestört war, er will sie erneuern.
Das heißt
natürlich nicht, dass damit die Sache einfach erledigt wäre: Im Beispiel
vorher: die Lüge und das von ihr verursachte Misstrauen ist nicht einfach aus
der Welt geschafft. Um die Wiederherstellung eines ungestörten Miteinanders
müsst ihr euch schon selbst mühen. Aber
zumindest diese Zusage dürft ihr mitnehmen: Gott will euch helfen beim
Neuanfang. Er will euch helfen, dass die Sonne dann wirklich wieder ungestört
und ungetrübt in eurem Leben strahlen kann.
2.
Sonntag im Jahreskreis
„Seht das Lamm Gottes,
das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ Diese Formulierung ist uns in Fleisch und
Blut übergegangen. In jeder Messfeier singen wir zur Brotbrechung: „Lamm
Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt.“ Und dann wird uns das gebrochene Brot
gezeigt mit den Worten „Seht das Lamm Gottes …“ Heute erfahren wir, von wem
dieses Wort stammt. Es ist Johannes der Täufer, der Jesus auf sich zukommen
sieht und seine Zuhörer auf Jesus hinweist.
Der Auftrag des Johannes
Johannes war selber ein
großer Prophet. Wenige Sätze vorher schreibt der Evangelist: „Es trat ein
Mensch auf, der von Gott gesandt war, sein Name war Johannes.“ Johannes sah
sich als von Gott gesandt, er predigte Umkehr und Buße und sammelte eine große
Jüngerschar um sich. Viele überlegten sogar, ob nicht Johannes selbst der
verheißene Messias sei. Er aber sieht jetzt Jesus kommen und sagt:
Ich bin es nicht, hier
ist das Lamm Gottes, hier ist der Sohn Gottes. Vielleicht kennen Sie den
berühmten Isenheimer Altar des Matthias Grünewald, auf dem Johannes unter dem
Kreuz steht und mit einem übergroß gezeichneten Zeigefinger auf Jesus zeigt mit
den Worten: Er muss wachsen, ich muss abnehmen. Mit dem Auftreten Jesu endet
die „Karriere“ des Johannes. Er sieht seine Aufgabe als erledigt, er tritt
zurück, um Jesus den Vortritt zu lassen. Diese Haltung muss uns Respekt
abnötigen. Denn wer tritt schon gerne in den Hintergrund, um einem anderen das
Feld zu überlassen? Aber darin sah Johannes seinen Auftrag: Zeigefinger auf
Jesus hin zu sein: Seht das Lamm Gottes! Seht den Sohn Gottes!
Der Auftrag der Kirche
Und genau das ist der
Auftrag der Kirche. Was Johannes damals seinen Jüngern und seinen Zuhörern
sagte, muss die Kirche heute ihren Gläubigen und auch der Welt immer wieder
sagen: Seht das Lamm Gottes, seht den Sohn Gottes!
Manchmal ist unsere
Kirche in der Gefahr, sich zu sehr um das eigene Wohlbefinden zu kümmern, sich
in Strukturen und Hierarchien zu verlieren und um sich selbst zu kreisen. Alle,
die in der Kirche ein Amt bekleiden, darf nicht egoistisch sein, und sei es
noch so hoch, alle, die beauftragt sind, die Frohe Botschaft zu verkünden,
müssen wie Johannes immer wieder von sich weg auf Jesus zeigen: Seht das Lamm
Gottes, seht den Sohn Gottes! Die Kirche muss der große Zeigefinger auf Jesus
hin sein.
Unser Auftrag
Und das ist der Auftrag
auch an uns alle. Jeder von uns kann an dem Platz, an dem er in der Welt steht,
ein Johannes sein. Jeder kann auf seine Weise auf Jesus zeigen: Die Eltern, die
in ihren Kindern das Fundament des Glaubens legen, die Lehrer und Erzieher, die
darauf aufbauen, alle, die in der Gesellschaft Verantwortung für die
öffentliche Meinung tragen, jeder in seinem Arbeitsfeld, im Freundes- und
Bekanntenkreis, jeder hat doch den Auftrag, für Jesus Zeugnis abzulegen. Jeder
kann Zeigefinger auf Jesus hin sein: Seht das Lamm Gottes, seht den Sohn
Gottes.
Jesus wird seine
Verkündigung mit den Worten einleiten: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist
nahe.“
Wir können mithelfen,
dass vollendet wird, was Jesus uns gebracht hat: das Himmelreich. Amen.
Das
Fest der Taufe des Herrn
„Aus der Taufe heben“ –
Das Wunder des Christwerdens neu entdecken
Es ist zwar nur eine
Redewendung, aber sie hat es in sich: Wenn eine politische Reform auf den Weg
gebracht wird, ein innovatives Projekt startet oder eine Einrichtung feierlich
eröffnet wird, dann wird etwas „aus der Taufe gehoben“.
Wenn ein Mensch aus der
Taufe gehoben wird, geschieht ein Wunder
Auch wenn diese
Redewendung oft nicht religiös gemeint ist, ihre Wurzeln liegen in der
Taufpraxis der frühen Kirche. Auch heute noch wird in manchen christlichen
Gemeinschaften so getauft: Ein erwachsener Mensch steht bis zu den Kniegelenken
im Wasser und wird vom Taufenden rücklings untergetaucht und wieder aus dem
Wasser herausgehoben. Das Untertauchen steht symbolisch für den Tod Jesu, das
Auftauchen für seine Auferstehung. Das „alte Leben“ bleibt zurück, ein „neues
Leben“ beginnt, das Leben mit Gott.
In unserer Taufpraxis werden nur selten Menschen im Wasser untergetaucht. Im dreimaligen Übergießen des Kopfes mit Wasser wird dies lediglich angedeutet. Die Grundbedeutung aber bleibt: Wenn ein Mensch „aus der Taufe gehoben wird“, beginnt etwas Neues. Unser Glaube sagt sogar: Es geschieht ein Wunder. Ob das den Eltern und Paten bewusst ist, wenn sie ihr Kind taufen lassen? Ist uns bewusst, welch großartiges Wunder in unserer Gemeinde geschieht, wenn ein Mensch getauft wird?
Das Urwort des
Wohlgefallens: „Du bist geliebt“
Bei der Taufe Jesu im
Jordan öffnete sich der Himmel, der Heilige Geist kam in Gestalt einer Taube
auf ihn herab, und eine Stimme aus dem Himmel war zu hören: „Dieser ist mein
geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ – Das hat auch eine
Bedeutung für mein christliches Leben: Auch bei meiner eigenen Taufe öffnete
sich der Himmel über mir und der Heilige Geist kam auf mich herab. Seitdem
wohnt er in mir, wirkt in mir und durch mich. Gott sprach auch mir seine
liebende Zusage zu: Ich habe an dir Wohlgefallen gefunden. Du gefällst mir. Ich
erfreue mich an dir.
Du bist kein Produkt des
Zufalls, keine Laune der Natur.[1]
Du darfst dir meiner Nähe sicher sein. Du bist geliebt! – Diese Zusage Gottes
ist das Urwort des Wohlgefallens, das er über unser Leben gesprochen hat. Er
ist unser Vater und wir sind seine Kinder. Mit diesem liebevollen Urwort
geleitet er uns durchs Leben.
Damit will er uns helfen,
auch den Unworten des Lebens standzuhalten. Vielleicht sind es angstmachende
Worte aus Kinder- und Jugendtagen. Vielleicht klingen die einen oder anderen
noch heute in uns nach oder haben sogar heute noch lähmende Wirkung: „Aus dir
wird eh nichts!“, „Was soll aus dir schon werden?“, „Du taugst zu nichts!“ „Du
bist doch an allem schuld!“, oder gar: „Du wärest am besten gar nicht geboren!“
– Immer wieder sind wir gefordert, das
Wort Gottes aus dem Wortgewirr des Lebens herauszufiltern. Denn dieses kann uns
aufbauen. Es lädt uns zu einem lebendigen und aktiven Leben ein. Es fordert uns
auf, das Ja zu uns selbst und zu dieser Welt immer wieder zu erneuern.
Menschwerdung Gottes
heißt: Jesus begibt sich hinein in unsere Welt
Das heutige Evangelium
berichtet davon, dass Jesus zu Johannes an den Jordan kam, um sich taufen zu lassen.
Die Initiative geht also von Jesus aus. Er wurde nicht überredet,
mitgeschleift, oder war zufällig da. Es war keine spontane Aktion. Jesus geht
bewusst dorthin, wo sich auch die anderen Menschen von Johannes zur Vergebung
ihrer Sünden taufen lassen. Jesus geht bewusst hinein in unsere Welt. Er reiht
sich sogar in die Schar derer ein, die von Johannes die Taufe zur Vergebung
ihrer Sünden erbeten.
Wir können das auch für
unser Leben deuten: Jesus steigt mit uns hinab in das Wasser, in all das, was
unser Leben bedroht und gefährdet. Er hebt uns aus dem Schattenreich des Todes
ins neue Leben seiner Auferstehung.
Das Fest der Taufe des
Herrn ist ein schönes und wichtiges Fest. Es ist mehr als ein Schlusspunkt, der
die Weihnachtszeit beschließt. Es ist auch mehr als ein Doppelpunkt, der die
Zeit im Jahreskreis eröffnet. Dieses Herrenfest ist vor allem ein großes
Ausrufezeichen im Festkreis des Jahres: Gott will dir nah sein! Er will, dass
dein Leben gelingt und zum Heil führt!
Aus dieser trostvollen
und liebenden Zusage Gottes heraus dürfen wir leben und neu beginnen. Gerade
dann, wenn uns Tiefschläge des Lebens treffen, dürfen wir uns die
Liebeserklärung Gottes erneut zusprechen lassen: Du bist mein geliebter Sohn,
du bist meine geliebte Tochter, du bist mir ans Herz gewachsen, ich bin bei
dir, du gefällst mir, ich freue mich über dich – und ich vergesse dich niemals!
Versprochen!
[1] vgl. das.Lied: „Du bist du“ von Jürgen Werth