Bereits
vor der Klostergründung 1096 in Isny war die Pfarrei Rohrdorf wohl der
pfarrliche Mittelpunkt für einen relativ weiten Umkreis. Isny wurde bis dahin
seelsorgerlich von Rohrdorf aus betreut. Seit der Gründung des Klosters Isny
gab es eine gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit, was gegen Ende 12. Jh. im
Kloster Isny zum Beschluss führte, einen Frauenkonvent in Rohrdorf anzusiedeln.
Die Übersiedlung der Benediktinerinnen erfolgte wohl Ende des 12. Jahrhunderts.
1277 wird die Pfarrei Rohrdorf in die Benediktinerabtei Isny inkorporiert.
Später wurde diese Inkorporation mehrmals bestätigt.
In den Reformationswirren des 16. Jahrhunderts wurde das Benediktinerinnenkloster in Rohrdorf aufgelöst. Die Pfarrei Rohrdorf blieb weiterhin Teil der Isnyer Benediktinerabtei, wobei sie eine Sonderstellung inne hatte. Der jeweilige Pfarrherr genoss eine weitgehende Unabhängigkeit vom Kloster. Im 18. Jahrhundert kam es zwischen der Diözese Konstanz und der Reichsabtei Isny zum Streit, wer das Visitationsrecht in Rohrdorf ausüben darf. Mehrere Rechtsgelehrte erstellten Gutachten, die mal mehr für die eine oder für die andere Seite positiv waren. Der Streit wurde bis zur Säkularisierung 1802 nie völlig geklärt.
Serie Isnys Türme und ihre Glocken
Ein Sägeblatt als Ersatz für Glocke St. Maria
Rohrdorfer mussten im Krieg drei Glocken abgeben – und
wussten sich zu helfen
Von Walter Schmid
Isny-Rohrdorf. Am 15. August 1959 war in der SZ zu lesen:
„Zwischen weidenden Viehherden und tannendunklen Waldparzellen träumt das
freundliche Bauerndorf in den Frühherbst hinein. Die ehrwürdige, dem Heiligen
Remigius geweihte Pfarrkirche – um die Jahrtausendwende erstes Heiligtum Isnys
und vielbesuchtes Wallfahrtsziel der Mütter – thront mit ihrem Friedhof wie
eine Burg des Friedens über dem Ort...“ Das Innere berge eine bewundernswerte
Heiligenplastik aus dem 15. Jahrhundert: „Marientod“... Und nicht zu vergessen,
ganz hinten im Kirchenschiff, seit dem Mittelalter immer noch das Bänkle das
reserviert war für den Henker. In der Glockenstube auf dem Kirchturm, längst
schon vergessen, ein wohl einmaliges Kuriosum: Ein riesiges Sägeblatt mit einem
Durchmesser von genau einem Meter. Es diente nach dem zweiten Weltkrieg einige
Jahre als Glockenersatz.
Der Glockenbeauftragte der Diözese lobte vor einigen Jahren,
nach einer Überprüfung der Glocken und der Läuteanlage, die rührige Gemeinde –
„oder die entsprechende Person!“: die Glockenstube sei gepflegt, der
Glockenstuhl zimmermannsmäßig und kraftschlüssig gebaut, historische Elemente
nicht einfach entsorgt, sondern dort wo Platz ist zur Erinnerung an spätere
Generationen museumsmäßig verwahrt: Läutearme die das Glockenjoch umgriffen,
mit denen mittels Hebelwirkung am Seil vom Erdgeschoss aus die Glocken bewegt
wurden. Seile, Umlenkrollen, Gewichte, Pendel, und das ehemalige mechanische
Uhr- und Schlagwerk in einem Kasten aus Holz und Glas. Marlene Singer hat einst
mit einem Textmarker auf dem Gehäuse notiert: „Altes Uhrwerk am 26. Januar 1989
zum letzten Mal aufgezogen.“
Die vorliegende Glockenhistorie geht bis ins Jahr 1883
zurück. Glockenpfarrer Straht aus Untermarchthal weihte das Rohrdorfer
vierstimmige Geläute, dessen Glocken in der Gießerei Zoller in Biberach gegossen wurden. „Josef“
mit 35 Zentner Gewicht, „St. Maria“ mit 24, „St. Remigius“ mit 17, und „St.
Angelus“ mit 10 Zentnern Gewicht. Im ersten Weltkrieg mussten die Rohrdorfer
als Materialspende zwei der drei kleineren Glocken abgeben. Ersatz lieferte
1922 die Glockengießerei Ulrich aus Kempten.
Im zweiten Weltkrieg
wurden die Rohrdorfer von der Reichsregierung wiederum „zur Schaffung einer
Metallreserve“ verpflichtet. „Nur künstlerisch und historisch wichtige Glocken
können von der Ablieferung befreit werden.“ Mit Antrag vom 15.12.1941 baten die
Rohrdorfer mit Hilfe von Kreisfeuerwehr und Landratsamt, die große Glocke „St.
Josef“ behalten zu dürfen: Rohrdorf habe Gebirgsdorfcharakter am Fuße des
Herrenberg gelegen, so schrieben sie. Die Entfernung der großen Glocke mit 1765
Kilo Gewicht und 140 Zentimeter Durchmesser verursache große Kosten. Der
eiserne Glockenstuhl müsse abgetragen und das Mauerwerk aufgebrochen werden. Auch müsse ein Teil der
Friedhofsmauer entfernt werden. Die Rohrdorfer hatten Erfolg. Sie verloren 1942
„nur“ St. Maria, St. Remigius und ihre Schutzengelglocke St. Angelus. Mit St.
Josef konnten sie noch zum Gottesdienst einladen,die Wandlung bei der Messe der
Öffentlichkeit verkünden und mit ihr konnte jede volle Stunde geschlagen werden
durch das vorhandene mechanische Schlagwerk. Die durch Seilzüge bewegten Hämmer
für St. Maria und für die Schutzengelglocke schlugen jetzt ins Leere…
Wenigstens die Schläge für die halbe Stunde wollten die
Rohrdorfer noch hören und starteten den Versuch mit einem riesigen Sägeblatt –
mit Erfolg.
Nur noch der hochbetagte Remig Würtenberger aus Schwanden
erinnert sich noch ganz schwach: Geläutet worden sei mit dem Sägeblatt ganz
sicher nicht. Wer hätte zu jeder Messe auf den Turm steigen wollen? Aber die
Technik für die Zeitansage sei ja vorhanden gewesen. Würtenberger ist
überzeugt, dass das Sägeblatt vor dem Hammer der Nummer zwei, also St. Maria
installiert gewesen sein musste um wenigstens die halbe Stunde anschlagen zu
können. Würtenberger Vermutung hat sich beim Vorort-Termin eindeutig bestätigt.
Das Joch für „St. Maria“ weist vier Schraubenlöcher auf für die frei
schwingende Aufhängung des Sägeblattes…
In der Glockengießerei Schilling in Heidelberg wurden 1950
die neuen Glocken bestellt und gegossen, passend zur noch vorhandenen „St.
Josef“ (cis’): „St. Maria“ (e’), „St. Remigius“ (fis’) und „St. Angelus“ (a’).
Das Sägeblatt hat also acht Jahre lang durchgehalten und wurde nach Ankunft der
neuen Schilling-Glocken in der Glockenstube ein halbes Jahrhundert an die Wand
gelehnt. Im Zusammenhang der Turm-Außenrenovierung und Überprüfung der Glockenanlage durch die
Wartungsfirma wurden die Monteure beauftragt, alle Utensilien aus der
mechanischen Ära, zur Erinnerung für spätere Generationen an die Wände in der
Etage unter der Glockenstube zu schrauben. Das Sägeblatt für einen Versuch frei
schwingend aufgehängt. „Sicher nicht ganz so laut, aber mit St. Maria zum
Verwechseln ähnlich“ schmunzelt der zweite Vorsitzende des Pfarrgemeinderates
Alwin Zengerle.