Veranstaltung am: 27.04.2024
Erich Nuß
„Einmal fragte ich einen alten Mann danach, was er unter Gnade verstehe. Er antwortete mir mit einer kleinen Geschichte: "Ich war Soldat in Russland und dort auch nach dem Krieg als Gefangener. Ich arbeitete bei einem Bauern, dessen beide Söhne von den Deutschen erschossen worden waren. Der Bauer ließ mich nachts mit der Familie auf dem warmen russischen Ofen schlafen. Sie ertrugen es, dass ich sie manchmal berührte. Das war für mich Gnade.“ (Dorothee Sölle)
Gnade – ein Wort, mit dem viele nichts mehr anzufangen wissen.
Das Wort Gnade- griechisch charis, lateinisch gratia, althochdeutsch ganada-
bedeutet Wohlwollen, Gunst, Huld; es bezeichnet alles, was nicht machbar und
erleistbar ist: Anmut, Schönheit, Dankbarkeit, Liebenswürdigkeit....
Theologisch ist Gnade die unbedingte Zuwendung der Liebe Gottes zum Menschen.
Gott schenkt dabei sich selbst und zwar absolut frei. Gott liebt aus Nichts und
für nichts (gratia plena). Die ganze Erlösungsgeschichte beginnt mit dem Wort:
"Du bist voll der Gnade!" Und die wesentlichste Antwort, die ein
Mensch sprechen kann, lautet: "..mir geschehe nach deinem Wort!"(vgl.
Lk 1, 26-38)
Für die meisten von uns ist es schwer zu glauben, nicht aufgrund von Leistung
und Leistungsbereitschaft gewollt, bejaht und geliebt zu sein; die Gesellschaft
und „Welt“ lehren uns ja auch das Gegenteil: Leistung wird belohnt. Auch für
religiöse Menschen ist es schwer genug, Gott gnädig sein zu lassen und darauf
zu vertrauen, das Gott uns „gratis“ mag. Aber: ich muss mir meinen Namen und
meinen Ruf bei ihm nicht verdienen. Ich habe bei Gott einen Namen und ich bin
unbedingt bejaht um meiner selbst willen. Mein Leben ist mir bedingungs-los
geschenkt. Ich brauche auch keine
Angst zu haben, von ihm vereinnahmt zu werden. Ich bin ins Leben gesetzt aus
reiner Freude, aus Überfluss, aus Liebe.
„Vertraut, dass ihr schon empfangen habt.“(Mk 11,34).