Hier finden Sie die aktuelle Ausgabe von IsnyAktuell mit dem Kirchenblatt der Kath. Seelsorgeinheit Isny
Christkönig und Demokratie
(Mt 25,31ff)
Liebe
Gemeinde,
Der
Christkönigssonntag ist in gewisser Weise sowohl von seinem Namen her wie auch
im Blick auf seine Geschichte ein eher politischer Feiertag. Ich meine, es lohnt
sich deshalb, gerade heute einmal auf die Demokratie zu blicken. Bei aller
zweifellos berechtigten Kritik an der Politik, meine ich doch, es müsste es
eigentlich ein dankbarer Blick sein: wir können und sollen dankbar sein, dass
wir so lange in einer Demokratie leben. Wenn wir in die Welt schauen, können
wir feststellen, dass die Demokratie allerdings in vielen Ländern gefährdet
ist. Nicht nur die autoritären Staaten wie Russland oder China sind ganz weit
weg von echter Demokratie, Staaten wie die Türkei oder auch Ungarn scheinen
sich von demokratischen Grundsätzen immer weiter zu entfernen, auch in
„urdemokratischen“ Ländern werden zunehmend Leute gewählt, die es mit der
Demokratie nicht so genau nehmen. Und auch bei uns zeigen Umfragen, dass
erschreckend viele die Demokratie für nicht so wichtig halten.
Zugegeben,
auch die Kirche ist nicht gerade der Hort der Demokratie. Ganz im Gegenteil, in
vielen Punkten ist sie sehr weit davon weg. Und zum Beispiel bei der bald bevorstehenden
Bischofswahl würde man sich gerne etwas mehr demokratische Beteiligung
wünschen. Schon deshalb ist große Vorsicht geboten, wenn man aus kirchlicher
Sicht zur Demokratie Stellung bezieht.
Auch
das Christkönigsfest scheint auf den ersten Blick wenig mit Demokratie zu tun
zu haben, geht es doch da um einen König, nicht um einen demokratisch gewählten
Regenten. Und doch hat gerade dieses Fest etwas Demokratisches an sich. Dies
zeigt sich zum einen bei einem Blick in die Geschichte. Eingeführt 1925 diente
es bald als Gegenentwurf zu irdischen Diktaturen. Die Verehrung von Christus
als König diente zugleich zur Kritik und zur Abgrenzung von irdischen
Führerkulten – vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus. Wer Christus als
König hat, kann eben nicht zugleich irdischen Hasspredigern und Kriegstreibern
anhängen.
Zum
anderen zeigt für mich gerade das heutige Evangelium wichtige demokratische
Werte. Natürlich gab es damals keine Demokratie im heutigen Sinn. So gesehen
ist auch die Frage, ob Jesus Demokrat war, nicht sinnvoll. Aber manches, was
uns heute in der Demokratie wichtig ist, das war offensichtlich auch Jesus
wichtig.
Das
erste ist: Jeder Mensch zählt. Das ist die schlichte Grundlage jeder
Demokratie, das ist auch die Grundlage des Evangeliums. In dem Satz „Was ihr
einem meiner geringsten Brüder oder Schwestern getan habt, habt ihr mir getan“
drückt sich genau dies aus: jeder Mensch zählt, jeder und jede ist wichtig. Das
gilt auch und gerade für die „Geringsten“. Auch die Lesung beim Propheten
Ezechiel zeigte dies in schöner Weise: Gott als der gute Hirte kümmert sich um
alle Schafe: um die verirrten und schwachen, ebenso wie für die fetten und
starken. Der Hirt ist für alle da. Bei Gott gibt es keine Menschen zweiter
Klasse. Jeder Mensch zählt.
Und
ein zweites kommt hinzu: Wir sind auch füreinander verantwortlich. Wir können
nicht sagen, der / die andere interessiert mich nicht. Das geht in der
Demokratie nicht, das geht erst recht nicht im Blick auf Christus. Gerade wenn
wir auf das Evangelium heute schauen: da weist Christus nicht nur auf die anderen,
die Hungernden, die Kranken, die Bedürftigen hin, sondern fordert auch
unmissverständlich auf, sich um sie zu kümmern.
Die
Hungernden sollen eben nicht weiter Hunger leiden müssen, die Kranken sollen
nicht sich selbst überlassen sein, die Bedürftigen sollen nicht bedürftig
bleiben. „Was ihr einem meiner geringsten Brüder oder Schwestern getan habt,
habt ihr mir getan“.
Jeder
Mensch zählt und jeder Mensch verdient es, dass man sich um ihn kümmert. Das
sind nur zwei wichtige Grundsätze, die das Evangelium mit der Demokratie
gemeinsam hat. Zwei Grundsätze, die freilich auch und gerade in der heutigen
Zeit beachtenswert sind.
Amen.
Auf einer Tagung bat die
Referentin die Zuhörer und Zuhörerinnen: „Stehen Sie doch bitte einmal auf. Und
dann strecken Sie Ihren Arm senkrecht aus!“ Während sie das sagte, streckte sie
ihren Arm zur Seite und ballte die Faust, was alle im Saal ebenso machten. –
„Das ist senkrecht!“, meinte sie dann und hob ihren Arm nach oben. Die Zuhörer
sahen sich an und lachten, weil sie es alle falsch gemacht und auch den Arm
waagrecht zur Seite gestreckt hatten. Die Referentin wollte mit ihrem kleinen
Spielchen demonstrieren, wie wichtig das Vorbild für das Handeln ist. Worte
allein genügen oft nicht. Es wäre auch die passende Illustration zu dem Satz
des heutigen Evangeliums gewesen, in dem Jesus sagt: „Tut und befolgt also
alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach ihre Taten.“ Er meinte
damit die Pharisäer und Schriftgelehrten, die in klugen Worten zu den Menschen
sprachen, aber zugleich durch ihr Handeln die eigenen Worte widerlegten.
Richtet sich das Evangelium also gegen diese?
Man könnte das so sehen,
weil auch in der ersten Lesung Gott durch seinen Propheten Maleachi gegen die
Priester wettert; sie seien nicht nur vom Weg mit ihm abgewichen, sondern
hätten dadurch auch viele andere zu Fall gebracht. Ähnlich schreibt es ja auch
Jesus den religiösen Führern des Volkes ins Stammbuch. Doch es lohnt sich,
genauer hinzublicken.
Tut und befolgt also
alles, was sie euch sagen
„Tut und befolgt also
alles, was sie euch sagen.“ Die Worte dieser von Jesus angegriffenen Lehrer
also sind nicht verkehrt, nur weil sie selbst nicht danach leben. Man soll sich
nach ihren Worten richten. Und man muss ihr Verhalten davon abstrahieren können.
Das ist nicht einfach. Erleben wir es nicht auch, dass heute die kirchliche und
christliche Botschaft angezweifelt, ja abgelehnt wird, weil Menschen Anstoß
nehmen am Verhalten einzelner Christen, einiger Priester oder Bischöfe? So sehr
man es verstehen kann, dass bestimmte Verhaltensweisen ein Ärgernis sind, so
bleibt doch die Wahrheit des Evangeliums bestehen, auch wenn das Gebaren
mancher Christen ihr eklatant widerspricht. Jesus könnte uns also sagen: Haltet
an der Wahrheit des Evangeliums fest und befolgt sie, aber macht sie nicht vom
Verhalten der Menschen abhängig. Leider tun viele Menschen das – und deshalb
ist Jesu Mahnrede nicht nur an die Pharisäer und Schriftgelehrten seiner wie
auch unserer Zeit gerichtet, sondern auch an alle, die sich nicht an sein Wort
halten:
Tut
und befolgt also alles, was sie euch sagen…aber...
„Tut und befolgt also
alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun.“
Bleibt auch die Wahrheit des Evangeliums durch die Verkündigung an sich
bestehen, so ist doch das Vorbild im Handeln entscheidend für das Verhalten
vieler Menschen. Ein guter Baum bringt gute Früchte hervor – an den Früchten,
dem Handeln also, kann man die Menschen und ihre wirkliche geistliche Autorität
erkennen. Die Titel besagen wenig, ja, sie widersprechen eigentlich sogar dem
Wesen der Botschaft vom Reich Gottes. Weder „Meister“ noch „Lehrer“ soll man
sich im geistlichen Sinne nennen lassen, der einzige „Titel“, den Jesus gelten
lässt, auch wenn er ihn nicht als solchen ausspricht, ist der des „Dieners“. Er
selbst hat uns ja den Dienst und das Dienersein vorgelebt; in seinem Sinne
handeln heißt also, sich zum Diener machen. Wir sollen uns ihn zum Vorbild
nehmen.
Der Größte von euch soll
euer Diener sein
Wer also „Meister“ oder
Lehrer sein will, soll es durch seinen Dienst an den anderen ausdrücken. Paulus
sagt es in seinem Brief an die Thessalonicher ähnlich mit einem Beispiel: „Bei
Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen, und
haben euch so das Evangelium Gottes verkündet.“ Hätte er, der große
Völkerapostel, sich nicht bedienen lassen können? Nein, er hat gearbeitet, und
auf diese Weise hat er sich den Menschen gleichgemacht, denen er das Evangelium
Gottes verkündet hat.
Im
Dienst aneinander und füreinander verkünden wir das Evangelium Christi, der
selbst den Menschen gleich und zum Diener geworden ist. Und: Wir dürfen andere
nur in dem Maß beurteilen, wie wir selbst beurteilt werden können. Auch wir
werden an unseren Früchten erkannt.